Faszientools als Wunderwaffe?

ein evidenzbasierter Ratgeber

Ob Faszienrolle, Faszien-Schaber oder Taping – das Internet ist von Angeboten überschwemmt, die solche Tools für die Selbstbehandlung von Muskelbeschwerden hoch anpreisen.Dabei werden viele strukturelle Effekte auf Muskeln und Faszien versprochen.Was lässt sich auf Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Wirkmechanismen sagen?Welche Effekte treffen zu und welche sind bisher nicht belegt oder gar widerlegt?

Es herrscht eine fundamentale Diskrepanz zwischen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und behaupteter Wirkmechanismen von Selbstmassagetools. Dieses Phänomen ist seit Jahrzehnten besonders in Bezug auf die deutsche Physiotherapie und Erklärungsmodellen von Therapiemaßnahmen zu beobachten. Die individuelle Erfahrung ist dabei zwar immer von Bedeutung, allerdings nur als Leitfaden, um sie kritisch mit belastbaren Daten zu überprüfen.

Wer sich schon mal über eine Faszienrolle gerollt hat oder es sogar als regelmäßige Routine in den Alltag integriert hat, wird vielleicht erfahren haben, wie es sich auf Schmerzen oder Beweglichkeit auswirken kann. Aber was genau sind die zugrunde liegenden biomechanischen und neurophysiologischen Mechanismen dafür?

Dieser Artikel soll einen Überblick zu den bisher nachgewiesenen Wirkmechanismen von Selbstmassagetools wie Foamroller/Faszienrollen, Massagepistolen, Faszien-Schaber oder auch Kinesio Tapes geben. Eine solide Beurteilungsgrundlage bilden dabei ausschließlich Systematic Reviews und Metaanalaysen, die sich mit der best verfügbaren Evidenz zu besagten Themen auseinandergesetzt haben.

Foam Roller/Faszienrollen – Was spielt es für eine „Rolle“?

Es sind unzählige Formen und Arten von Rollen aus Schaumstoff auf dem Markt erhältlich. Der grundlegende Verwendungszweck sieht die Selbstmassage von Muskeln und Faszien vor. Dabei lehnt man sich häufig mit dem Körpergewicht auf die Rolle und rollt langsam den entsprechenden Bereich aus. Immer wieder hört oder liest man von einem Einfluss dieser Schaumstoffrollen auf den strukturellen Zustand der Faszien. Obwohl es keine einheitliche Definition von Faszien gibt, lassen sich jedoch folgende Eigenschaften festhalten: Sie sind Hüllschichten von Muskeln und teilweise Ansatzstellen für Bindegewebsstrukturen von Muskeln und übertragen dadurch Muskelkräfte. Faszien schützen Gefäße und bilden eine Barriere gegen Infektionen. Außerdem spielen sie eine Rolle bei der Propriozeption und Nozizeption (Wahrnehmung von mechanischen, thermischen oder chemischen Reizen).

Folgende häufig behauptete Wirkmechanismen bezogen auf Faszien gelten als wissenschaftlich nicht haltbar:

  • Lösung von Verklebungen der Faszien,
  • Lösung von Adhäsionen der Faszien,
  • Verbesserung des Flusses von Gewebeflüssigkeiten der Faszien und
  • Lösung von Verfilzungen.

Es gilt mittlerweile als gesichert, dass die Kräfte, die notwendig wären um eine nachhaltige strukturelle Veränderung im Sinne einer Lockerung der Faszien zu erreichen, mit manuellen Techniken wie das Foam Rolling nicht erreichbar sind. Gewebe wie Faszien haben eine enorme Belastbarkeit, die notwendig ist, um den täglichen Belastungen Stand zu halten. Diese Alltagsbelastungen überschreiten häufig um ein Vielfaches die Belastungsschwelle, die eine manuelle Druckgabe über eine Rolle in der Lage wäre zu produzieren. Es ist nicht möglich straffe Faszien durch einen Foam Roller zu verformen. Studien zeigen, dass es Kräfte oberhalb von 400 Kilogramm benötigen würde, um das Gewebe der Plantarfaszie und der Fascia Lata auch nur 1% zu verändern.

Aber warum fühlt es sich so gut an sich mit einer Faszienrolle so richtig auszurollen?

Dafür gibt es mehrere Erklärungsansätze. Um die angenommenen Mechanismen für das bessere Gefühl nach Benutzung der Faszientolle nachvollziehen zu können, braucht es einen kleinen Exkurs in die Neurophysiologie des zentralen Nervensystems.

Unser Körper besitzt viele Rezeptoren, die Informationen wie zum Beispiel Druck, Wärme, Kälte oder chemische Reize über Nervenbahnen in Richtung Rückenmark und Gehirn leiten. Man nennt sie auch Nozizeptoren. Die Weiterleitung und Wahrnehmung von sensorischen Informationen wird dementsprechend Nozizeption genannt. Wenn wir sehr lange Zeit ohne Pause am PC arbeiten, dann fühlen wir vielleicht eine erhöhte Sensibilität im Bereich des Nackens. Das passiert in diesem Beispiel auf Grund von verstärkter Nozizeption. Das zentrale Nervensystem spielt dabei eine entscheidende Rolle bei der Verstärkung oder Hemmung von Nozizeption. So kann es beispielsweise sowohl lokal (Mangel an Bewegung) als auch durch synaptische Verschaltungen auf Rückenmarksebene oder im Gehirn (nervliche Anspannung durch Dauerstress) zu einer Sensibilisierung führen.

Für eine akute Verringerung dieser Sensibilität durch das Aussrollen mit einer Faszienrolle wird gerne der Begriff Neuromodulation verwendet. Er beschreibt die Veränderung der Arbeitsweise des Nervensystems durch einen beliebigen sensorischen Input. Dieser Effekt ist in der Regel kurzfristig. Das bedeutet, er hält so lange an, bis das Nervensystem wieder zu seinem ursprünglichen Erregungszustand zurückgekehrt ist. Meistens handelt es sich hierbei nur um einige Minuten, weswegen es aus therapeutischer Sicht keine klinische Relevanz besitzt.

Solange dieses Tool also nicht mit der Intention verwendet wird, strukturell nachhaltige Veränderungen herbeizuführen, kann die Benutzung durchaus gerechtfertigt sein.So fand ein Systematic Review von Hughes et al. aus dem Jahr 2019 Evidenz dafür, dass Faszienrollen die Beweglichkeit vergrößern können. Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass diese Beweglichkeitsverbesserung lange anhält. Auch hier handelt es sich nur um eine kurzfristige Steigerung der Dehnungstoleranz der ausgerollten Körperbereiche. Die verfügbaren Daten legen nahe, dass für das Rollen eine Mindestdauer von 90 Sekunden angestrebt werden sollte, um von einer kurzanhaltenden Schmerzreduktion und Beweglichkeitsverbesserung zu profitieren. Ob dabei nur in eine Richtung gerollt werden sollte wird aus diesen Arbeiten nicht ersichtlich. Die verfügbaren Daten lassen aufgrund mangelnder methodischer Qualität keine Schlussfolgerungen hinsichtlich des Einflusses auf Regeneration und Performance zu. Auch in Bezug auf Verletzungsprävention können keine Schlussfolgerungen gezogen werden.Die Preise für dieses Rollen bewegen sich in der Regel zwischen 15-40 Euro.

Massagepistolen

Immer mehr Popularität erfahren sogenannte Massagepistolen, die hochfrequente elektronische Vibrations- oder Stoßimpulse erzeugen und somit die Muskulatur und die Faszien intensiv massieren sollen. In der Regel lassen sich verschiedene Aufsätze aus Schaumstoff oder Kunststoff auf das Gerät aufstecken. Mittels Bedingungselement lässt sich die Vibrations- oder Stoßfrequenz individuell einstellen. Da bis heute keine qualitativ höherwertigen Studien über diese Art von Massagegeräten existieren, lassen sich keine verlässlichen Aussagen oder Schlussfolgerungen dazu treffen. Die versprochenen Wirkmechanismen belaufen sich ähnlich wie bei der Faszienrolle auf:

  • Detonisierung der Muskeln,
  • Lösung von verklebten Faszien,
  • Anregung des Metabolismus und
  • Schmerzlinderung.

Auf Grundlage erwähnter Wirkmechanismen der Faszienrolle, lässt sich auch hier nur ein plausibel klingender Übertrag der grundsätzlichen Mechanismen einer Neuromodulation vornehmen. So kann durch Applikation dieser hochfrequenten Vibration auf das Gewebe wahrscheinlich ein sehr großer sensorischer Input entstehen. Dieser beläuft sich allerdings in Anbetracht der notwendigen Kräfte, um Faszien oder Muskeln auf struktureller Ebene zu verändern, nur auf Effekte kurzfristiger Natur. Die Mechanorezeptoren im betroffenen Gewebe werden mit diesem Virbrationsinput „geflutet“ und erzeugen als Resultat mehr Dehnungstoleranz. Es besteht somit also auch hier eine Berechtigung dieses Tools für den Zweck der kurzfristigen Beweglichkeitssteigerung.

Laut Stand aktueller Daten gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass diese Pistolen die Regeneration nach dem Training beschleunigen.

Es lässt sich keine genaue Aussage zu der optimalen zeitlichen Dosierung treffen, um die angestrebten kurzfristigen Effekte zu erreichen. In den meisten Studien betrug die Anwendungsdauer 4-15 Minuten. Auf Grund der meist sehr starken Vibration, sollte man damit vorsichtig in Bereichen sein, die etwas empfindlicher sind. Möglicherweise könnte ein starker Vibrationsreiz, wie es die Pistole produziert, in diesem Gebiet eine akut erhöhte Sensibilität und sogar mehr Schmerzen erzeugen. Die Preise für diese Massagepistolen reichen von 45 bis 700 Euro. Angesichts fehlender belastbarer Daten sollte gut überlegt sein, ob ein Kauf der hochpreisigen Variante wirklich notwendig ist.

Faszien-Schaber

Bei der Anwendung von diesem Faszien-Instrument wird ein abgerundetes, flaches Edelstahlteil mit Druck über den entsprechenden Muskel geschoben. Es gibt unterschiedlich geformte Teile, die alle den Zweck der tiefen Massage und Querfriktion von Faszien und Sehnen haben. Dabei wirken meist starke punktuelle Kräfte, die nicht selten Blutergüsse hinterlassen. Über diese Art der instrumentgestützten Faszienbehandlung existiert Evidenz höherer Qualität, womit sich verlässlichere Schlussfolgerungen ziehen lassen. Die versprochen Wirkmechanismen belaufen sich auf:

  • Lösungen von Verklebungen und Adhäsionen der Faszien und Hüllschichten von Sehnen,
  • Anregung des Metabolismus,
  • Detonisierung der Muskulatur und
  • Schmerzlinderung.

Ein Systematic Review von Nazari et al. 2019 fand keine klinisch relevanten Unterschiede bei den Ergebnissen einer instrumentgestützten Faszienbehandlung im Vergleich zu Placebo. Somit lässt sich auf Grundlage verfügbarer Evidenz keine Empfehlung für die Verwendung dieses Tools um Schmerz, Beweglichkeit oder Funktion zu verbessern aussprechen.

Die Benutzung dieses Tools sollte gründlich abgewägt werden, da sie auf Grund der intensiven punktuellen Druck- und Scherkräfte auf das Hautgewebe möglicherweise unerwünschte Einblutungen entstehen lassen kann. Auch hier besteht das Risiko der akuten Verstärkung von Schmerz in sensibilisierten Bereichen. Trotz fehlender Evidenz für die behaupteten Wirkmechanismen, ist dieses Tool vor allem im Bereich der Physiotherapie immer wieder zu finden. Schmerzhafte Faszienbehandlungen können zu einer Aufrechterhaltung oder einer Entstehung einer Sensibilisierung des Nervensystems beitragen.

Der Preis für diese Faszientools aus Edelstahl reicht von 46 bis 700 Euro.

Hier stellt sich auf Grund der eindeutigen Datenlage die Frage der Rechtfertigung von solch hohen Preisen.

Kinesio Tapes

Kinesio-Tapes sind elastische, textile Klebebänder mit unterschiedlichen Farben, die ihre Anwendung häufig im Leistungssport finden. Aber auch bei Rücken-, Schulter-, Nacken- und Kniebeschwerden werden die bunten Bänder gerne verwendet. Sie werden mit oder ohne Vorspannung auf die Haut geklebt und sollen ihre sanft massierende Wirkung vor allem durch Bewegung entfalten. Angebliche Effekte der kinesiologischen Tapes sollen unter anderem sein:

  • Schmerzlinderung,
  • Regulierung der Muskelspannung,
  • Verbesserung der Durchblutung,
  • Verringerung von Schwellungen oder
  • Entzündungshemmung.

Es gibt mehrere gut kontrollierte Studien, die darauf hindeuten, dass Kinesio-Taping zwar Schmerzen lindern kann, aber nicht viel besser als Schein-Taping ist.

Viele systematische Reviews und Metaanalysen fanden auch keine signifikanten Auswirkungen über eine kurzfristige Schmerzlinderung hinaus.

Parreira et al. 2014 zeigten, dass Kinesio Taping bei einer Reihe von Erkrankungen des Bewegungsapparates keinen Vorteil gegenüber Schein-Taping/ Placebo und aktiven Vergleichstherapien hatte. Der Nutzen ist zu gering, um klinisch sinnvoll zu sein. Aus diesem Grund sprechen aktuelle Erkenntnisse nicht für die Verwendung von Kinesio Taping bei Erkrankungen des Bewegungsapparates.

Auch hinsichtlich einer Verringerung von Schwellungen gibt es keine überzeugende Evidenz dafür, dass durch ein Kinesio Taping signifikante Ergebnisse erzielt werden können. Die Weiterverwendung von Taping als Maßnahme bei der Therapie von muskuloskelletalen Beschwerden ist das fundamentale Beispiel für die Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Forschung und klinischer Praxis.

Es gibt allerdings durchaus Bereiche, in denen Kinesio Taping seine Daseinsberechtigung hat. So ist es durchaus legitim diese Tapes bei einem Wettkampf als psychologische Unterstützung anzubringen. Auch als Boden- oder Wandmarkierung eignen sie sich gut.

Zusammenfassung:

Es gibt eine Reihe an Tools für die Selbstbehandlung von Muskeln und Faszien, die auf dem Markt immer populärer werden. Genau so berühmt sind die Wirkversprechungen, die in diesem Kontext gegeben werden. Da Popularität kein Hinweis auf Wahrheit ist, sollten alle gut vermarkteten Tools mit der best verfügbaren Evidenz kritisch beleuchtet werden. Die durch die Tools wahrgenommenen Effekte wie Schmerzlinderung und Beweglichkeitsverbesserung sind nur kurzfristiger Natur und erzeugen keine Veränderung der Faszie oder des Muskels auf struktureller Ebene. Es sollte also nicht als notweniges Mittel bei Bewegungseinschränkungen, Muskelschmerzen oder zur Regeneration betrachtet werden.

Die wichtigsten nachgewiesenen Mechanismen von Faszien Tools sind:

  • kurzfristige Dämpfung des Nervensystems und
  • kurzfristige Verringerung der Sensibilität der Nerven.

Wenn diese Effekte im Warm-up dafür genutzt werden, dass sportrelevante Bewegungen danach etwas leichter oder geschmeidiger funktionieren, gibt es dagegen nichts auszusetzen.

Darüber hinaus gewährleisten sie keine Beschleunigung der Regeneration und dienen auch nicht der Verletzungsprävention. Eine Benutzung kann zwar mit der richtigen Intention durchaus gerechtfertigt sein, allerdings ist ein gut strukturiertes durch aktive Übungen ausgeführtes Warm-up ist der Verwendung dieser Tools immer noch bei weitem überlegen.

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